Das Pastorat

Pastor Helle beklagt sich über den baulichen Zustand der Pastorat. Nach einer baulichen Überprüfung steht fest, dass die Kosten für eine Renovierung die Kosten für einen Neubau übersteigen. Der Gemeindrat beschliesst also das Gebäude abzureissen und neu errichten zu lassen. Der Entwurf des neuen Gebäudes fertigt das Bauunternehmen Schmitts aus Daseburg, deren Kostenvoranschlag allerdings von der Peckelsheimer Firma Reih unterboten wurde, die für 20.000 Mark den Neubau 1910 fertigstellt. Die Kirchengemeinde und Pastor Helle nehmen das Pastorat Pfingsten in Gebrauch.

Die Gemeinde hatte sich im Jahre 1914 an die „Überlandzentrale“ (Stromversorgung) angeschlossen und die Unternehmer waren bereits beim Verlegen der Stromleitungen, als der 1. Weltkrieg ausbrach und alle Arbeiten eingestellt wurden. Während dieser schweren Zeit versuchte unsere Gemeinde, ihren Vätern und Brüdern im Kriegsdienst nach Kräften beizustehen. Mehr als Lebensmittel und Gebrauchsartikel konnte jedoch auch hier nicht beigebracht werden. Die Hoffnung der Gemeinde richtete sich auf eine baldige Beendigung der Kampfhandlungen. Zu diesem Zweck wurden Bittgottesdienste abgehalten, wie auch päpstliche Bittage (10.01.1915), an denen unsere Pfarrkirche bis auf den letzten Platz gefüllt war. Am 02.05.1915 wurde der Kreuzweg auf dem neuen Friedhof von einem Franziskanerpater aus Paderborn eingeweiht. Leonard Weber hatte hierzu 1.000,00 Mark gestiftet, der Rest wurde durch Kirchenkollekten beschafft. Nachdem der Krieg schon über zwei Jahre dauerte, wurde im Jahre 1916 ein Tri Duum, da sind drei Bitt- und Busstage (30.06., 01.07., 08.07.) angesetzt, die in Großeneder ebenfalls von einem Franziskanerpater geleitet wurden. Im Juli 1917 kam die Aufforderung der Regierung, eine Glocke abzuliefern. Unsere grösste Glocke musste also am 08. August ausgebaut werden.

Wehmütig nahm sie von unserem Dorf Abschied, indem sie 2 Stunden lang ihre vertrauten Klänge erschallen liess. Von dem Herunterlassen vom Turm wird berichtet, dass sie, wohl aus Wut über die Anweisung, mehr oder weniger heruntergestürzt war. Noch 2 Tage lang stand sie auf einem Wagen neben dem Turm, bis sie zum Bahnhof Borgholz gefahren wurde. Die Inschrift der Glocke lautete:

STA PHILOMENA ORA PRO NOBIS 1896

Darunter war ein Siegel mit der Hl. Philomena und zwei Engel zur Seite, Kinder und Eichenlaub mit Ähren.

Endlich war der Krieg beendet, in der Gemeinde herrschte Hunger, Diebstähle und Beraubungen waren an der Tagesordnung. Auch das Pastorat blieb von Einbrüchen nicht verschont. Die Gefallenen unserer Gemeinde, es waren 41 an der Zahl, wurden unter grosser Anteilnahme der Bevölkerung am 30.12.1918 in einer würdigen Totenfeier geehrt.

Im Jahre 1919 wurde die geistliche Ortsschulinspektion aufgehoben. Der Elternbeirat, der an diese Stelle treten sollte, kam in Großeneder nur unter grossen Schwierigkeiten zusammen. Am 27. Oktober 1922 wurde zum Gedenken der im Weltkriege gefallenen Söhne der Gemeinde vor dem Schönewaldt'schen Hause ein Ehrenmal eingeweiht.

In den Nachkriegsjahren war die Geldentwertung derart rapide, dass in der Kirche keine Kollekten mehr durchgeführt wurden. 1927 verzichteten die Grundstückseigentümer des Dorfes auf ihre Jagdpacht zugunsten der Anschaffung einer neuen grossen Glocke, die von der Glockengiesserei Edelbrock in Gescher gegossen wurde. Das Gewicht betrug 23 Zentner. Am 06. April brachte ein Wagen diese Glocke von der Bahnstation Menne aus unter dem Geläut der kleinen Glocke ins Dorf. Mittlerweile war die mittlere Glocke zum Umschmelzen nach Gescher geschickt worden, weil der Ton nicht mehr rein war. Diese aus dem Jahre 1486 stammende 12 Zentner schwere Glocke war so fest, dass sie am 14. März aus dem Schallhof herunterstürzte, ohne zu zerbrechen. Da sich das Umschmelzen in Gescher verzögerte, wurde vorerst nur die grosse Glocke geliefert. Am 10. April, Palmsonntag, war feierliche Einweihung. Taufpate war Frl. Hedwig Twiste. Die Glocke wurde auf den Namen der allerheiligsten Jungfrau Maria getrauft. Sie trug die Aufschrift:

Ich bin zerschlagen in Kriegesnot 1917.
Und Neuerstanden: Vertraut nur Gott 1927.

Am folgenden Montag war es dann soweit, die neue Glocke konnte endlich zum Turm hinaufgezogen werden. Das Schalloch war eigens erweitert worden. Eine grosse Zuschauermenge verfolgte das Schauspiel. Gegen 19.00 Uhr waren die Arbeiten beendet und gemeinsam mit ihrer kleinen Schwester (c) läutete die neue Glocke (f tief) etwa 3 Stunden lang zum Lob und zur Ehre der Himmelskönigin, deren Namen sie bei der Weihe empfangen hatte, weil sie am 25. März (Maria Verkündigung) gegossen wurde und zum täglichen Angelus angeschlagen wurde. Am Donnerstag nach Pfingsten (09.06.) zog unsere umgeschmolzene "Osanna" ins Dorf ein. Die alte Inschrift war wieder aufgegossen:

OSANNA BEN EK GEHETEN
MEESTER HARTWICH GONT ME
ANNO MCCCCLXXXVI
UMGEGOSSEN 1927

Ebenfalls aufgegossen war ein Bild Christkönigs im Medaillon sowie die weitere Inschrift:

SANCTUS DENS DEUS SABBAOTH

Das Gewicht der Glocke betrug 11 Zentner. Sie wurde am Dreifaltigkeitssonntag geweiht; Patin war die Tochter des hiesigen Glöckners, Frl. Emma Brachholz. Am darauffolgenden Montag, es war gerade Schützenfest, wurde die Glocke emporgezogen und an ihrem Platz befestigt. Anschliessend wurde seit 10 Jahren erstmals wieder das Vollgeläut angeschlagen.

Einige Jahre, nachdem Pfarrer Helle in Großeneder sein 25jähriges Ortsjubiläum feiern konnte, begann auch für die Kirchen die schwere Zeit des Nationalsozialismus. Mit dem 30. August war seine seelsorgerische Tätigkeit in Großeneder nach 31 Jahren beendet. Er verbrachte seinen Lebensabend in Calenberg. Sein Cooperator, Pater Richard Luig, verwaltete die Pfarrei, bis am 07. Oktober Pfarrer Heinrich Konze feierlich in sein Amt in unserer Gemeinde eingeführt wurde. Am Sonntag vor Weihnachten beendete der Kirchenküster Heinrich Hördemann nach 41 Dienstjahren sein Amt.

Am 2. Ostertage des Jahres 1940 wollte der Pastor Helle auf Wunsch vieler Großenederer sein 50jähriges Priesterjubiläum in unserer Pfarrkirche begehen. Am Karfreitag wurde durch den Herrn Dechanten mitgeteilt, die Feier habe mit Rücksicht auf die „kirchenpolitische Lage“ zu unterbleiben.

Auch liess sich die NS-Regierung immer wieder neue Schikanen einfallen, um die Kirche in der Ausübung ihres Amtes zu hindern. So wurde die Zahl der Besucher der Gottesdienste festgelegt. Deshalb wurde in Großeneder eine 3. Messe von dem pensionierten Pastor Spengler, der hier längere Zeit bei Verwandten lebte, gehalten. Ebenfalls erforderten es die Verdunkelungsvorschriften während des Krieges, dass die weihnachtliche Christmesse bereits am Nachmittage stattfand.

Am 16.09.1943 starb unser langjähriger Pfarrer Helle in seiner Heimatstadt Rüthen. An der Beisetzung nahmen aus unserer Gemeinde über 40 Personen teil.

Nach der Beendigung des Weltkrieges wurden an der Kirche einige leichte Beschädigungen repariert. Im Jahre 1948 wurden drei neue Glocken beim Bochumer Verein gegossen, hatten wir doch im vergangenen Weltkrieg wiederum unsere Glocke opfern müssen. Die Kosten für diese Glocke (11.000,00 Mark) wurden durch freiwillige Sammlungen aufgebracht. Taufpaten waren Hedwig Twiste, Karl Michels und Anton Gockeln. Im Jahr darauf wurde die aus dem Jahre 1486 stammende Osanna-Glocke nach Bekanntmachung im Amtskirchenblatt in Marsberg wiedergefunden und nach hier zurückgebracht.

Am Abend des 16. Mai 1951 starb Pfarrer Heinrich Konze. Als Nachfolger wurde am 22.07. Franz Henkel eingeführt. Die Pfarrbücherei, die seit Jahren ruhte, wurde erneuert und wieder eröffnet. Ebenso stellte der Pfarrer einen Raum des Pfarrhauses als Jugendraum zur Verfügung. Die inzwischen morsch gewordenen Kirchenbänke wurden komplett erneuert, zur Primizfeier des Pastors Berendes am Ostermontag 1952 waren die Arbeiten beendet.

Im Jahre 1955 hatte der Schützenverein im Stubbig ein neues Kreuz aufstellen lassen. An dieser Stelle war im März 1920 von dem Schuster Franz Wieners (Pinkenschuster) auf eigene Initiative ein Kreuz errichtet worden, welches wegen der Gestalt und der an Kreuz und Podest angebrachten Inschrift keine kirchliche Weihe zuteil geworden war. Inzwischen war dieses Kreuz ganz zerfallen und morsch, da sich seit Jahren niemand um das Kreuz kümmerte. Am 1. Bittag des Jahres, am 16. Mai, fand eine Prozession zu dem neu errichteten Kreuz statt, das bei dieser Gelegenheit kirchlich geweiht wurde. Es wurde angeregt, künftig am Montag der Bittwoche an diesem Kreuz hier inmitten der Äcker den Segen Gottes für die Feldfrucht zu erbitten.

Der aus Großeneder gebürtige Kriegsteilnehmer Geisen, der eine Muttergottesstatue für den Fall seiner Heimkehr versprochen hatte, löste sein Versprechen ein. Am 06.05.1956 wurde die sogenannte Mantelmadonna feierlich eingeweiht. Sie hatte ihren Platz unmittelbar neben Turm und Kirchenschiff.

In diesen Jahren konnte auch die Ausstattung der Kirche wieder vervollständigt werden. So schmückte zur „Ewigen Anbetung“ im Jahre 1957 wieder ein siebenarmiger Leuchter den Hochaltar, der alte musste während des letzten Krieges abgeliefert werden.

In den Abendstunden des 18.07.1963 verstarb infolge eines Herzinfarktes Pfarrer Franz Henkel, der am gleichen Tage noch eine Beerdigung gehalten hatte. Der von Paderborn zum Pfarrer von Großeneder ernannte Pastor Josef Stappert trat seine neue Stelle jedoch nicht an, weil die Gemeinde dessen Pläne (bezüglich des Pastorates) nicht verwirklichen konnte. So blieb die Pfarrstelle weiterhin vakant. Pfarrverweser war Pastor Pallus aus Eissen.

Als schliesslich am Buß und Bettag der neue Pastor Wilhelm Reckhenrich feierlich in die Gemeinde eingeführt wurde, war die Freude in der Bevölkerung gross. Die Amtszeit des Pastors Reckhenrich wies einige Parallelen zu der Amtszeit des Pastors Thöne auf. Pfarrer Wilhelm Reckhenrich musste umfangreiche Renovierungsarbeiten an der Pfarrkirche vornehmen lassen und hatte mit viel Widerstand aus der Bevölkerung fertig zu werden. Als die Arbeiten beendet waren, waren die Kräfte des Pfarrers erschöpft, so dass er Anfang des Jahres 1967 seine seelsorgerische Tätigkeit in Großeneder aufgab und in Pension ging.

Nachfolger wurde Pastor Otto von Monschaw, der fast 15 Jahre in unserer Gemeinde wirkte und 1982 eine Pfarrei in Grevenstein/Sauerland übernahm.

Das Aussehen der Kirche hatte sich insoweit verändert, als der Nordeingang zugemauert wurde und neben den Turm nach Westen verlegt wurde. Ebenso erhielt die Kirche einen neuen Altar, der die Möglichkeit bot, die Messe zum Volk hin zu zelebrieren. Hochaltar und Orgelprospekt wurden einer gründlichen Renovierung unterzogen. Die Kirche erhielt einen neuen Steinfussboden und eine Ölheizung. Die Kosten der Renovierung betrugen etwa 214.000,00 DM.

Die Prozession zum Wepeler Kreuz konnte in den 60er Jahren nicht mehr durchgeführt werden, weil der Strassenverkehr in diesen Jahren dermassen zunahm, dass eine Gefährdung der Gläubigen nicht auszuschliessen war. Im Jahre 1982 wurde der Kirchplatz einer gründlichen Erneuerung unterzogen.

Die gepflasterten Gehwege waren ziemlich uneben, so dass neue Pflastersteine verlegt wurden. Auch wurden drei Pastorendenkmäler an die Nordseite der Kirche verlegt. Die Mantelmadonna, seit der letzten Renovierung in einer dunklen Ecke versteckt, kam wieder zu Ehren. Der Frauen und Mütterverein sowie der Schützenverein errichteten auf dem Kirchplatz westlich der Kirche eine Grotte, in welcher die in der Dunkelheit beleuchtete Mantelmadonna zum Verweilen einlädt. Ebenso ist es dem Pastor Josef Mersch zu verdanken, dass der doch beinahe in Vergessenheit geratene Brauch des Pfarrfamilienfestes wieder aufgegriffen wurde. Einmal im Jahr (auf Peter und Paul) treffen sich Jung und Alt, auch ehemalige Großenederer, zu einem geselligen Beisammensein auf dem altehrwürdigen Kirchplatz.

Aus dem Inventar der Kirche werden in den „Bau und Kunstdenkmälern Westfalens, Kreis Warburg“ folgende Gegenstände aufgeführt: Der Hochaltar von Holz, zum Teil von 1750, die Altarplatte (Mensa) und die Seitenfiguren sind aus neuerer Zeit; das alte Altarbild ist nicht mehr vorhanden. Es soll von Kunstkennern als ausgezeichnet bezeichnet worden sein. Es stellte den Erzengel Michael dar, und war von dem Maler Anton Stratmann gemacht; die Kanzel, ebenfalls von Holz, aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Unten sind 4 geflügelte Putten (Engelchen) angebracht. Der Schalldeckel weist die Symbole der drei göttlichen Tugenden und den mit feurigen Strahlen und Zungen umgebenen Hl. Geist auf. Der Taufstein aus Sandstein von 1774; die Kupfer vergoldete Sonnenmonstranz, um 1750 entstanden, 58,5cm hoch; das alte Ziborium (Speisekelch), Kupfer vergoldet, um 1550 entstanden, ist leider verschollen. Die Sakristei wurde erst 1903 angebaut.

Der jetzt im Gebrauch westlich des Dorfes befindliche kommunale Friedhof wurde angelegt im Jahre 1906. Die Anlage und Pflege desselben sind mustergültig und zeugen von Verständnis und Liebe.