Die Schule in Großeneder

Die ersten Schulen früherer Zeiten wurden an den Klöstern und Bischofssitzen gegründet. Nur die Geistlichen und jene Adeligen, die die Domschulen besucht hatten, waren des Lesens und Schreibens kundig. Die breite Masse der Bevölkerung aber gehörte zu den Analphabeten. Daher wurde es von einer Gemeinde begrüßt, wenn die Kirche eine Pfarrei wurde, da auf diese Weise mit einem Pastor ein Mensch ins Dorf kam, der Lesen und Schreiben konnte. Dieser konnte aus der Bibel vorlesen und so der breiten Bevölkerung vieles, auch weltliche Dinge, näher bringen und verständlich machen. Ebenso konnte der Pfarrer Verträge und Schriftstücke aufsetzen und als Zeuge tätig werden.

Bereits im Jahre 1215 wurde auf dem IV. Laterankonzil festgelegt, daß jede Pfarrei eine Schule einrichten solle, damit ein jeder die Bibel lesen könne. Die Städte griffen diese Anregung rasch auf und richteten allgemeine und auch höhere Schulen ein, da sie erkannten, daß die vermittelten Fähigkeiten dem Geld- und Marktwesen der Städte nützlich waren.

Auf dem Lande hingegen wurde lange nichts unternommen, fehlt es doch an Geld und an ausgebildeten Lehrkräften. Vielfach war man in den Dörfern auch der Meinung, Lesen und Schreiben sei für einen einfachen Mann nicht nötig, es genüge, wenn er körperlich gesund sei und arbeiten könne. Als dann die Reformation sich ausbreitete und weite Teile der Bevölkerung erfaßte, wurde die bisher bestehende Ansicht vielerorts revidiert.

Durch die Kunst des Buchdruckes und die volkstümliche Übersetzung durch Luther war die Bibel allen Menschen zugänglich gemacht worden. So beschloß man auf dem Konzil in Trient im Jahre 1563 erneut, jede Pfarrei zu verpflichten, eine Schule in der Gemeinde zu errichten.

Dieser erneute Anstoß muß wohl in Großeneder auf fruchtbaren Boden gefallen sein. So vermerkt VÖLKER in seinem Buch über Wehrkirchen:

„Der Pfarrer in Großeneder ließ anno 1656 die seit mehr als 30 Jahren zerstört liegende Schule wieder aufbauen. Die Schule (ebenfalls Küsterhaus) stand auf dem Friedhof, der wiederum auf dem Kirchhof lag, denn der Lehrer war Schließer der Kirche, Kirchhof und Schule.“

Offensichtlich hatte man in Großeneder schon vor dem 30-jährigen Krieg (1618-1648) eine Schule erbaut, denn während des Krieges war man dazu mit Sicherheit nicht in der Lage. Dieser Neubau geschah, obwohl kurz zuvor die Pest einen starken Tribut von der Einwohnerschaft gefordert hatte. Nach alten Aussagen stand diese Schule am Ostende des Kirchhofes, dem Hause Butterwegge (96b) gegenüber. Es ist somit an derselben Stelle wieder aufgebaut worden. Über den weiteren Verlauf der Schule in Großeneder ist nichts bekannt, da man damals keine Chroniken führte.

Erst durch eine Amtsverordnung der Kgl. Regierung Minden aus dem Jahre 1817 wurde über Vorkommnisse Buch geführt.

So schreibt der Pfarrer, daß im Jahre 1803 das Schulhaus verlängert wurde, damit eine größere Schulstube angelegt werden konnte. Die Kosten hierfür beliefen sich auf 500 Taler.

Bereits um 1860 jedoch genügte das alte Schulhaus den Anforderungen der Zeit nicht mehr. Da eine Renovierung nicht lohnte, wurde ein Neubau beschlossen. Um diesen durchführen zu können, kaufte die Gemeinde ein Haus, welches an der Schule stand und einem Neubau somit im Wege war. Zu dieser Zeit waren die Gemeindekassen aber ziemlich erschöpft, so dass der Neubau der Schule auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden musste. Westlich an der Schule und zwar in unmittelbarer Nähe stand ein kleines Wohnhaus, welches dem Johann Schäfers gehörte.

Als die Raumnot immer größer wurde, baute man in den Lehrergarten die Mädchenschule im Jahre 1844 an. Die Lehrerin erhielt im oberen Stockwerk eine kleine Wohnung. Die Besoldung sowie die Unterbringung der weiblichen Lehrkraft in Großeneder waren so bescheiden, dass in diesen Jahren die Lehrerinnen rasch um eine Versetzung baten.

So berichtet die Gemeindechronik aus dem Jahre 1878:

„Der Antrag der hiesigen Lehrerin Witwe Rose auf eine Gehaltserhöhung von jährlich 15 Mark wird von der hiesigen Gemeindevertretung einstimmig abgelehnt, weil die Aufführung derselben in sittlicher und moralischer Beziehung mehr zu wünschen übrig läßt. Außerdem ist die älteste Tochter, die ein uneheliches Kind geboren hat, zurzeit in Eissen und verdient dort einen hohen Lohn.“

Die Betätigung der Schulkinder zu dieser Zeit war jedoch nicht ausschließlich pädagogischer Natur. So hatten die Mädchen die Aufgabe, die Schule zu reinigen. Ab 1877 mußte dieses außerhalb der Schulstunden geschehen. Die Jungen übernahmen teilweise die Aufgaben des Lehrers Reineke, so zum Beispiel das Aufziehen und Schmieren der Turmuhr. Lehrer Reineke wurde deswegen von der Gemeinde angewiesen, diese nicht ungefährliche Arbeit selbst zu verrichten. Der Lehrer Reineke muß dann wohl alles zur Zufriedenheit der Gemeinde erledigt haben, erhielt er doch 1879 eine Gehaltserhöhung auf insgesamt 950 Mark.

Im Dezember 1883 wurde er zum Schiedsmann der Gemeinde gewählt. Die Verwaltung der LokalSchulinspektion wurde im Februar 1887 dem neuen Pfarrer Pieper übertragen, im gleichen Jahre wurde Lehrer Reineke in den Ruhestand entlassen.

Das Schulreinigen wurde, wie bisher üblich, auch weiter hin von den Schulkindern besorgt. Dabei machte man geltend, dass das Reinigen durch die Schulkinder für die Kinder selbst ein großer Vorteil ist, indem dieselben dadurch im Auskehren und Reinigen frühzeitig angehalten und unterrichtet werden, was sonst bei manchen nicht der Fall sein würde. Außerdem sei das Reinigen eine leichte Beschäftigung, die den Körperkräften der Kinder angemessen sei.

Das Schulreinigen wurde erst im Jahre 1889 einer Arbeiterfrau übertragen. Der neue Lehrer Scheideler beantragte eine Revision der Lehrerstelle, um auf Mißstände aufmerksam zu machen. Die Kgl. Reg. Minden jedoch schrieb ihm zurück, wenn er sich noch einmal beschwere, würde er versetzt.

Die baulichen Mängel ließen sich durch eine solche Ablehnung jedoch nicht beseitigen. So drohte vor Ostern 1891 die Decke der Knabenschule einzustürzen, was jedoch durch Reparaturarbeiten verhindert werden konnte. Damit die Mädchen in den Pausen ungestört spielen konnten, wurde ein Teil des Schulgartens abgetrennt und eingefriedet.

Die Gehälter der Lehrpersonen kamen in den 90er Jahren dann doch etwas in Bewegung. So wurde das Gehalt der Lehrerin 1893 auf 900 Mark erhöht und das des Lehrers auf 1.500 Mark. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus

  • Staatsbeitrag 500 Mark
  • Dienstländereien 163 Mark
  • Kirchenämter 393 Mark
  • aus der Gemeinschaftskasse 444 Mark

Es wurde auch diskutiert, die Küsterstelle von der Lehrerstelle zu trennen. Das erfolgte dann im Jahr 1885.

Der geplante Neubau der Knabenschule sollte nach dem Wunsch der Gemeinde noch ein weiteres Jahrzehnt hinausgeschoben werden, weil die Gemeinde zu dieser Zeit andere unaufschiebbare Baumaßnahmen durchzuführen hatte. Es wurde auch die Frage aufgeworfen, die Küsterstelle von der Lehrerstelle zu trennen. Man sah vor, dieser Vermögensaufteilung jedoch vorläufig ab, weil die Schulgebäude auf kirchlichem Grund und Boden standen. Außerdem sollte die neue Knabenschule auf der Stelle des alten Gebäudes errichtet werden, weil die angebaute Mädchenschule nur so einen Halt hatte. Weiterhin faßte man die Möglichkeit ins Auge, in der neuen Schule eine Küsterwohnung einzurichten.

Erst im Jahre 1895 wurden dann endgültig die Lehrerstelle und die Küsterstelle getrennt. Daraufhin wurde eine Neuregelung der Lehrergehälter notwendig. Auf der Lehrerhauptkonferenz 1897 in Warburg weigerten sich die Lehrer, den vorgelegten Vorschlag anzunehmen. Dieser sah als Grundbetrag 1.050 bis 1.300 Mark zuzüglich 120 bis 160 Mark Alterszulage vor. Daraufhin setzte die Schulbehörde aus Mindestsatz 1.200 Mark zzgl. 140 Mark AZ fest. Die meisten Gemeinden jedoch gingen über diesen Satz hinaus. Lediglich im Amt Borgholz wurden auf Betreiben des Amtmannes Falter die Mindestsätze beibehalten. Im Falle Großeneder machte er sogar seinen ganzen Einfluß auf den Gemeinderat dahingeltend, daß er für den hiesigen Lehrer noch unter der Mindestgrenze bleiben wollte. Unterstützung fand er ebenfalls beim Pfarrer Pieper, der, wie fast der gesamte Gemeinderat, der Meinung war, daß „der Kleinknecht nicht über den Großknecht dürfe". In den letzten Jahren des Jahrhunderts wurde dann endlich die Knabenschule neu gebaut. Im Jahre 1900 wurden die bisher eingereichten Rechnungen begutachtet. Da der Bau jedoch teilweise fehlerhaft ausgeführt war, lehnte die Gemeinde weitere Zahlungen an den Bauunternehmer ab, bis die Fehler beseitigt waren. Zur Deckung der Mehrkosten mußte bei der Sparkasse Warburg ein Darlehen über 3.000 Mark aufgenommen werden.

Durch den Neubau und des Schulgebäudes bedingt, war das Wasser des Schulbrunnens ungenießbar. So wurde im Frühjahr 1902 ein Bohrbrunnen von etwa 9m Tiefe angelegt. Leider war das Wasser des neuen Brunnen trübe, so daß der Kreisarzt dieses Wasser ebenfalls für ungenießbar erklärte. Dieser Zustand besserte sich erst, als im darauffolgenden Jahr der neue Bohrbrunnen um fast 3 m tiefer gebohrt wurde.

Der 01. Oktober 1903 war für unsere Schule ein trauriger Tag. Fräulein Wilhelmine Wasmuth, seit über 40 Jahre an unserer Schule tätig, trat in den wohlverdienten Ruhestand. Als ihre Nachfolgerin kam Fräulein Josephine Rüdde, die bis dahin in Gehrden gewirkt hatte, nach Großeneder.

Da das Schulgebäude an der Westseite durch den Regen oft nass war, wurde 1905 eine Verkleidung aus Zinkplatten angebracht, ebenfalls wurden die Balken über der Tenne niedriger gesetzt, um mehr Bodenraum zu erzielen.

Am 01. April 1907 wurde der Lehrer Anton Franke an die Schulstelle in Großeneder berufen, wo seit dem Jahre 1900 der Lehrer Schmidt wirkte.

Der Zeit gemäß wurde am 27. Januar der Geburtstag Seiner Majestät, des Kaisers Wilhelm II., begangen. Nach einem festlichen Hochamt hielt der Lehrer eine Ansprache, anschließend war schulfrei. Zum 50. Geburtstag des Kaisers jedoch im Jahre 1909 wurde ein von den Kindern eingeübter Parademarsch dargeboten.

Bei der großen Lichtmessflut des Jahres 1909 konnten die meisten Kinder nicht zur Schule kommen, diese wurde daher vom Ortsschulinspektor vorübergehend geschlossen. Die gleiche Maßnahme mußte im folgenden Jahr ergriffen werden. Diesmal waren es die Masern, die fast alle Kinder des Dorfes ins Bett fesselte. Leider ist die Schülerin Theresia Bodemann der Krankheit, wozu sich noch Brustfieber gesellte, erlegen.

Im Jahre 1912 wurde eine weitere Lehrerstelle eingerichtet. Dem 2. Lehrer sollte eine Dienstwohnung gestellt werden. Als Alternative für einen Bauplatz wollte man zwischen dem Platz direkt neben der Schule oder der Kuhle wählen. Das Grundstück auf der Kuhle war zwar größer, bedeutete aber einen weiten Schulweg.

Da die Zahl der Schulkinder in diesen Jahren sehr angestiegen ist auf fast 200 Kinder, so haben Gemeinde und Schulvorstand auf Anordnung aus Minden den Neubau für 2 Schulklassen mit 2 Wohnungen beschlossen. Das Gebäude der Mädchenschule sollte stehenbleiben. Das Klassenzimmer wollte man dem Jugendverein überlassen, während die unteren Räume einer Badeeinrichtung Platz machen sollte. Der Neubau selbst war im Hausgarten des Lehrers geplant. Nach Anweisung der Regierung sollte der Bau im Herbst 1914 beginnen, die Gemeinde bat aber darum, erst im Frühjahr 1915 anfangen zu dürfen, weil die Landwirte dann mehr Zeit für die Fuhren hätten. Wegen des Ausbruchs des Krieges war Minden hiermit einverstanden. Während des I. Weltkrieges war an einen geregelten Schulbesuch wie in Friedenszeiten nicht zu denken. Da viele Ernährer zum Heeresdienst eingerufen waren, halfen die Schulkinder verstärkt auf den Feldern bei den Arbeiten. Ferner wurde nach bedeutenden Siegen unserer Soldaten eine Schulfeier veranstaltet, wonach den Kindern schulfrei gegeben wurde. Da die Kinder außerdem noch recht zahlreiche Sammlungen im Orte durchführten, kam in dieser Zeit das Schulleben doch etwas kurz. Ende des Jahres 1918 kam Herr Lehrer Franke wieder an unsere Schule zurück, er war im April 1917 ebenfalls zum Heeresdienst eingezogen worden, und übernahm sogleich wieder den Unterricht. Dieser beschränkte sich in den Wintermonaten, da der Unterricht wegen Kohlenmangel größtenteils ausfiel, auf Hausaufgaben.

Am 01. Oktober 1919 wurde die geistliche Ortsschulinspektion aufgehoben. Gemäß einer Verfügung der Regierung sollte an jeder Schule ein Elternbeirat gewählt werden. In Großeneder sah man diese Sache doch sehr skeptisch, bekam man doch mit Mühe und Not einen einzigen Wahlvorschlag zusammen, so daß die dort genannten automatisch als gewählt galten. Als Vorsitzender dieses Elternbeirates fungierte Johannes Henke.

Im Jahre 1920 wurde am 01.10. die 3. Lehrerstelle eingerichtet, die von August Aufenanger besetzt wurde. In der kalten Jahreszeit fiel immer noch sehr oft der Unterricht aus, weil die Klassenzimmer nicht geheizt werden konnten. Da die Kinder des Dorfes recht zahlreich an Ziegenpeter (Mups) erkrankt waren, musste die Schule von Ende November bis Weihnachten vom Kreisarzt geschlossen werden.

Der Lehrer Franke wurde am 01.04.1921 zum Hauptlehrer ernannt. Am gleichen Tage verließ Fräulein Barke unsere Schule. Sie war hier seit sechs Jahren in Großeneder tätig gewesen. Sie trat als Nonne in das Benediktinerinnen Kloster in Herstelle ein.

Als Nachfolgerin trat Fräulein Hedwig Twiste, die am 15. Oktober 1921 ihren Dienst an. Für den Elternbeirat konnten sich die Eltern in Großeneder noch immer nicht erwärmen. Nach mehrmaliger Wahlaufforderung erschienen insgesamt nur 2 Personen, so dass ein Wahlvorschlag nicht zustande kam. Allerdings ist es in jenem Jahre gelungen, für unsere Gemeinde die Ländliche Fortbildungsschule ins Leben zu rufen. Durch Ortsstatut waren alle nicht mehr schulpflichtigen Jungen unter 18 Jahren für 3 aufeinander folgende Winterhalbjahre zum Schulbesuch verpflichtet.

Der Unterricht wurde dienstags und donnerstags von 18 bis 20 Uhr durch Hauptlehrer Franke, Lehrer Aufenanger und Lehrer Helle erteilt.

Im Winterhalbjahr 23/24 wurde diese Fortbildungsschule allerdings nicht wieder eingerichtet.

Dies geschah erst wieder im Jahre 1924, als für alle Gemeinden des Kreises Warburg die PflichtFortbildungsschule eingeführt wurde. Das Winterhalbjahr 24/25 besuchten insgesamt 34 Schüler, darunter waren 9 Handwerker. Im Jahre 1925 wurde die Fortbildungsschule Großeneder unter Kreisstatut gestellt.

Im Sommer brach unter den Kindern eine Masernepidemie aus, so daß die Schule auf Anordnung des Kreisarztes geschlossen werden mußte. Die Kinder bekamen, so 3 Wochen Ferien, die allerdings von den 6 Wochen Herbstferien abgezogen wurden.

Zum 1. Mai 1926 verließ Lehrer Aufenanger unsere Schule. Der Nachfolger kam der Junglehrer Wilhelm Koch. Er blieb allerdings nur 2 Jahre bei uns und übernahm die Lehrerstelle in Ikenhausen.

Dann kam der Lehrer Adolf Eickhoff zu unserer Schule. Herr Eickhoff war der erste Pädagoge im Kreis Warburg, der aus einer Pädagogischen Akademie hervorging. Herr Eickhoff blieb an unserer Schule bis zum April 1932, als gleichzeitig Hauptlehrer Franke sein 25jähriges Ortsjubiläum feiern konnte.

Schüler ca. 1935
Schüler ca. 1935

An die Stelle des scheidenden Lehrers Eickhoff trat Wilhelm Wiechens.

Nun kam die Zeit des Nationalsozialismus. Die Vermögen der Jungmännervereine wurde beschlagnahmt, nur die Fahnen blieben, weil sie Eigentum des Pfarrers waren, im Orte. Das öffentliche Tragen von Abzeichen der Jugendbünde war ebenfalls verboten.

Schüler mit Lehrer Anton Franke ca. 1936
Schüler mit Lehrer Anton Franke ca. 1936

Als nun die neuaufgenommenen Mitglieder des heimischen Jungfrauenbundes anläßlich eines Theaterbesuches in Peckelsheim von SA-Leuten getrennt und eskortiert wurden, wurde diese Handlungsweise in der Presse als national gerühmt und die Großenederer Lehrerin, Fräulein Twiste, als national unzuverlässig verdächtigt. Im Jahre 1937 erkrankte der Hauptlehrer Anton Franke derart, dass er seinen Dienst nicht mehr ausüben konnte und in den Ruhestand trat. Als Nachfolger kam der Lehrer Hubert Götte nach hier.

Da bei nur 2 vorhandenen Schulklassen ein ordnungsmäßiger Unterricht nicht stattfinden konnte (viele Springstunden, Unterricht in der Kirche, ja sogar in der Küche der Lehrerin) sollten die Mädchen und Jungen der oberen 5 Klassen gemeinsam unterrichtet werden. Da jedoch einige Eltern hiergegen Protest erhoben, blieb alles unverändert.

Dies änderte sich erst im Jahre 1938, als auf Anordnung des Kreisschulrates 3 gemischte Klassen eingerichtet wurden. Als nun Fräulein Twiste für längere Zeit erkrankte, konnte keine Ersatzkraft beschafft werden. Die Schule war gezwungen, vorübergehend eine verheiratete (!) Lehrerin zu beschäftigen. Durch die politischen Ereignisse dieser Zeit waren auch schulisch-kirchliche Belange betroffen. Da viele kirchliche Feiertage Arbeitstage wurden, konnte beispielsweise die Fronleichnams-Prozession nicht durchgeführt werden, weil die Kinder zum Schulunterricht erscheinen mußten. So wurde die Prozession am darauffolgenden Sonntag nachgeholt.

Im Jahre 1939 dann wurde es endgültig ernst. Der Hauptlehrer Götte wurde vom Schulrat als Vertrauenslehrer für die HJ bestätigt. Im gleichen Jahr wurde auf Antrag des Bürgermeisters die 3. Lehrerstelle aufgehoben.

Die Kinder wurden nun, viel stärker als im I. Weltkrieg, zu Aufgaben herangezogen, die mit der Schule nicht viel zu tun hatten. So überflogen englische Flugzeuge am ersten Kriegstag unsere Gegend und warfen Flugblätter ab. Die Schulkinder wurden zu einer groß angelegten Suchaktion herangezogen und fanden auch tatsächlich ganze 3 Blätter.

In den letzten Monaten des Jahres wurden dann neue Schulfächer eingeführt wie zum Beispiel Waffenkunde, Spionageschutz oder 1. Hilfe, wobei letzteres auch aus heutiger Sicht nicht als verfehlt anzusehen ist. Ebenso hielten die Kinder in der Gemeinde wiederum die verschiedensten Sammlungen ab, sei es Metall, Geschenke für die Soldaten oder Altmaterial, wobei unsere Schule 1941 sogar den 1. Platz im Kreis Warburg erreichte und hierfür eine schriftliche Anerkennung erhielt.

Da viele Ernährer der landwirtschaftlichen Betriebe im Kriegsdienst standen, wurden die Schulkinder verstärkt zur Arbeit auf dem Acker herangezogen, manche Familien waren vollständig auf die Hilfe der Kinder angewiesen. In den Ferien wurden die einheimischen Schüler durch Kinder aus der Stadt verstärkt, um die Ernte nicht zu gefährden.

Um Hauptlehrer bleiben zu können, ging Herr Götte zum 01.10. an die Schule in Ossendorf, da Großeneder nur noch 2 Lehrerstellen hatte. Da der zweite Lehrer ebenfalls im Kriegsdienst stand, war es Fräulein Twiste vorbehalten, sämtliche Schüler allein (!) zu unterrichten, bis im Jahre 1945 Hauptlehrer Konrad Schütte an unsere Schule kam.

Die letzten Kriegsjahre vergingen aus schulischer Hinsicht ohne große Zwischenfälle. Als 1946 jedoch bei einem Sturm die Eisenstange, auf der der Kirchturmhahn saß, auf den Kirchplatz geschleudert wurde, war man doch froh, daß zu diesem Zeitpunkt kein Schulkind gefährdet worden war. Bei den Instandsetzungsarbeiten hatte man festgestellt, daß sowohl die Stange als auch der Hahn mitsamt der Kugel von Schüssen durchlöchert war. Ob der Beschuß von feindlichen Bordwaffen oder vom 01. April des Vorjahres stammten, konnte nicht geklärt werden.

Die Schülerzahl betrug nach dem Kriege, in der Gemeinde waren auch einige Evakuierte und Ostflüchtlinge aufgenommen, knapp 190 Kinder, die von 2 Lehrkräften betreut wurden. In diesen Nachkriegsjahren hatte die Bevölkerung von Großeneder keinerlei Möglichkeit, etwas zur Entwicklung der Schule beizutragen, mußte man doch versuchen, die Folgen des Krieges zu überwinden. In den 50er Jahren jedoch, beschloss die Gemeinde den seit langem geplanten Bau einer neuen Schule.